MAINZ - 35 Grad – der Sprung ins kühle Nass ist verlockend. Auf der Luftmatratze von den Wellen hin- und hergeschaukelt werden oder einfach nur mit den Füßen in den Rhein. So schön das klingt, so gefährlich kann es auch sein. Vor allem, wenn man nicht oder nicht sicher schwimmen kann. Alleine in Rheinland-Pfalz sind im vergangenen Jahr 17 Personen ertrunken, wie Marco Vogt von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) mitteilt.
Besonders gefährdet sind Kinder. Eine Forsa-Umfrage, die die DLRG 2017 in Auftrag gab, zeigte ein erschreckendes Ergebnis: Etwa 60 Prozent der Kinder können nicht richtig schwimmen. Die möglichen Gründe dafür: kaum Schwimmunterricht in den Schulen und weniger Schwimmbäder.
- DAS DRAMA VON RHEINDÜRKHEIMFür Entsetzen sorgte vor Kurzem der Tod zweier Mädchen, die zwischen Rheindürkheim und Worms von der Strömung des Rheins mitgerissen worden waren und ertranken. Die beiden 9 und 13 Jahre alten Kinder aus Afghanistan hatten zuvor auf einer Buhne gespielt. Offenbar war die Neunjährige dabei in den Fluss gestürzt und die Ältere wollte ihr zu Hilfe kommen. Ein Großaufgebot von Feuerwehr, Polizei und DLRG war im Einsatz – doch leider vergeblich. Die toten Körper der Kinder wurden später bei Biebesheim und bei Groß-Rohrheim im Wasser treibend entdeckt.
Kurz darauf ertrank ein Mann aus Pakistan an der gleichen Stelle bei Rheindürkheim im Rhein. Er hatte einem 16-Jährigen helfen wollen. Der Junge konnte sich noch ans Ufer retten.
„Das Seepferdchen ist eher eine Gewöhnung ans Wasser“, sagt Vogt. Das Jugendschwimmabzeichen in Bronze werde benötigt, um als sicherer Schwimmer zu gelten. „Im Schwimmbad kann man sich zur Not noch am Beckenrand festhalten“, so Vogt. Die größere Gefahr gehe von Naturgewässern aus. Hier sind unterschiedliche Strömungen, kein Beckenrand, keine Sicht auf den Boden: „Das ist ein Cocktail, der jeden Anfänger in Panik versetzen kann. Und Panik vergrößert die Gefahr.“ Schwimmen lernen in einem See? Keine gute Idee, findet der DLRG-Sprecher. „Dafür braucht es kontrolliertes Wasser.“
Keine ausreichenden Investitionen in Bäder
Hier sieht Vogt das Problem: „Die DLRG weist seit Jahren darauf hin, dass es zu wenige Schwimmbäder und zu wenig Kapazitäten gibt, um Kindern das Schwimmen beizubringen.“ Die Kommunen würden nicht mehr ausreichend in Schwimmbäder investieren.
„Es braucht auch die finanzielle Unterstützung vom Land – alleine können die Kommunen das nur im Ausnahmefall stemmen“, sagt Agneta Psczolla vom Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz. Der Besuch im Schwimm- oder Freibad sei nicht nur Freizeitgestaltung, sondern Bäder leisteten einen wichtigen sozialen Beitrag.
Ein großes Problem ist nach Ansicht des Gemeinde- und Städtebundes der Sanierungsstau bei den Schwimmbädern. Hinzu käme die häufig mangelnde Barrierefreiheit. Schwimmbäder fallen unter die sogenannten freiwilligen Aufgaben der Kommunen. „Wenn die Pflichtaufgaben erfüllt sind, bleibt nicht mehr viel übrig.“
Daher fordere der kommunale Spitzenverband Unterstützung von Bund und Ländern für ein Bäderprogramm und eine ausreichende Finanzausstattung. Gleichzeitig müssten die Kommunen Synergieeffekte nutzen und sich gegebenenfalls ein Bad teilen. So könnten die Schwimmkompetenz gefördert und auch die Kosten im Rahmen gehalten werden, sagt Psczolla. „In den Jahren 2007 bis 2010 hatte das Land ein Schwimmbadsanierungsprogramm aufgelegt, das mit 66 Millionen Euro Fördergeld ausgestattet war“, erläutert Joachim Winkler, Sprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums. Mit diesem Geld seien 40 Bäder gefördert worden. In den vergangenen fünf Jahren sei die Bädermodernisierung mit weiteren zwölf Millionen Euro unterstützt worden. Die Landesregierung in Mainz habe außerdem entschieden, erneut ein Schwimmbadsanierungsprogramm aufzulegen. Dieses solle von 2020 an mit jährlich 5,2 Millionen Euro ausgestattet sein.
Ein Bädermangel ist in Rheinland-Pfalz laut Innen- und Sportministerium nicht zu erkennen. Das hätte der Altenburg Bäder-Report von 2016 gezeigt. Dennoch sei ein Sanierungsbedarf zur Erhaltung der Bäder vorhanden.
„Schwimmen zu können ist überlebenswichtig“
„Ich höre immer wieder, dass weniger Kinder schwimmen können“, sagt Lutz Thieme, Präsident des Landessportbunds. Doch für ihn als Sozialwissenschaftler ist die Datenlage ungenau. „Das sind Momentaufnahmen von Eltern“, sagt der Präsident. „Wir wissen ja noch nicht mal genau, wie viele Schwimmstätten es gibt.“ Es sei viel sinnvoller, zu überlegen, wie das Schulschwimmen vorangetrieben werden könne, beispielsweise mit genügend Bädern, Lehrern und Zeit. Schwimmen zu können sei nicht nur überlebenswichtig. „Wenn man nicht schwimmen kann, bleibt alles verwehrt, was mit Wasser zu tun hat.“
Bei der Forsa-Umfrage wurden die Eltern gebeten, die Schwimmfähigkeit ihres Kindes einzuschätzen. Hier sind nach Meinung von Thieme die Hinweise der Lehrer aussagekräftiger, „und die sagen, es wird schwieriger“. Manche Eltern wollten, dass ihre Kinder schon vor der Grundschule schwimmen können und bringen sie in Schwimmkurse. Solche Kurse kosten aber Geld, „deshalb werden dadurch nicht alle Kinder erreicht. Der Ort, an dem alle Kinder erreicht werden, ist nun mal die Schule – was diese dann aber auch vor neue Herausforderungen stellt“.
Dass der Schwimmunterricht in Schulen mitunter schwer zu organisieren ist, bemängelt auch Klaus-Peter Hammer, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Rheinland-Pfalz. Betroffen seien vor allem dörfliche Gegenden, wo es kein Schwimmbad gibt. Es sei aber auch immer schwieriger, Fachpersonal zu finden. Oft würden die Sportlehrer den Schwimmunterricht übernehmen, doch müsse die entsprechende Ausbildung vorhanden sein. Da viele Vertretungskräfte im Einsatz seien, fehle oft die Befähigung, Schwimmunterricht zu erteilen. Eine Lösung ist Hammer zufolge, mehr Fortbildungen für Lehrer anzubieten, damit diese die Kompetenz erwerben können, Kindern das Schwimmen beizubringen.
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